Dienstag, 13. März 2018

Uiuiui. From dusk till dawn...

Freitag, 09.03.2018
12. Wandertag
Rute nach Priego de Cordoba
11h / 32km
1.119m hoch / 1.064m runter

In der Nacht wieder Regen. Wie oft habe ich diesen Satz eigentlich schon geschrieben? Der Morgen ist aber freundlicherweise trocken und nebelig, die Sonne drückt sich langsam durch den Dunst, der aussieht, als wären wir irgendwo oben auf 3.500 Metern in den Wolken. 


Das Frühstück wird von einem etwas mißlaunigen Herren zubereitet, der in diesem etwas leer wirkenden Hotel in krassem Kontrast zu den freundlichen Leuten von gestern steht. Er serviert uns die Tostadas, macht den Kindern noch schnell was zurecht – ab in die Schule.

Die Kleinstadt in schon in heller Aufruhr. Alles bummelt, alles kauft ein, alles in Bewegung. Wir treffen die örtliche Seniorenwandergruppe, hören dem quäkenden Lautsprecher eines Kastenwagens zu, der klingelnd und krächzend irgendwas verkündet, ziehen durch die engen Gassen und sind – ganz plötzlich, als hätte es all den Trubel nicht gegeben, plötzlich am Stadtrand. Dahinter Wiese, Wald, die ersten Ziegen auf der Weide.


Die ersten Stunden laufen wir entlang der Nordflanke der Sierra Alta de Rute entlang, ein Höhenzug mit Gipfeln, die später fast schon alpin aussehen werden. Nach dem kühlen Aufstieg im Schatten werden wir mit Sonne auf den Gesichtern belohnt und vor allem mit einem superbequemen kleinen Pfad mit Aussicht.


Wir finden Glockenblumen, probieren wilden Fenchel; Thymian & Co. wachsen sowieso schon seit Tagen immer wieder am Wegesrand. Die Mittagspause zögern wir hinaus, bis ich nicht mehr kann und laut wehklagend mein Altersrecht auf Rast einfordere. Weil wir schon den ganzen Tag quer zum Hang laufen und es irgendwie gerade nix Waagerechtes zum Sitzen gibt, fläzen wir uns zwischen zwei Olivenbäume, werfen Stiefel und Socken ab und machen ordentlich Mittag. Der Einkauf vorhin in Rute hat sich gelohnt, es wird ein Festmahl.

Aus dem bequem angelegten Weg vom Anfang des Tages ist inzwischen ein sich windender steiler Pfad geworden, der zwar alle Gelüste nach abenteuerlicher Wegführung erfüllt, aber zusehend anstrengender wird. Fenja und Ivan gefällt's, aber ich habe echt zu kämpfen. Ich nenne dieses Stück mal sachlich „schön, aber unbarmherzig“. Gleichzeitig ist inzwischen unübersehbar das Wetter von hinten herangezogen, es sieht wieder nach Regen aus.


Nach Stunden landen wir wieder auf einem alten Fahrweg, kurz darauf Ruinen eines größeren Bergbauernhofs. Ich fülle meine Trinkflaschen am Brunnen wieder auf, währenddessen stürzt 20m weiter ein Teil der Wand von irgendeinem verlassenen Gebäude ein. Spooky.
Der Regen findet uns und wird uns die nächsten Stunden weiter begleiten. Kräftiger Wind von hinten gibt dem Ganzen zusammen mit den knorrigen Bäumen, dem kratzigen Unterholz und den verfallenen Gehöften, an denen wir in der nächsten Stunde vorbeikommen, ein seltsam entrücktes Gefühl. Als wären wir irgendwo ganz weit weg.

Spätestens der verhaßte Abstieg durch den Matsch und Morast der Olivenhaine holt uns wieder in die Realität zurück. Der letzte Bach kurz vor der Straße ist durch den Regen wieder gehörig angeschwollen, aber diesmal schaffen wir die Überquerung dank Sprungtechnik, ohne Stiefel und Socken ausziehen zu müssen.

Der Rest des Tages droht in Form einer langweiligen und kräftezehrenden Straßenetappe. Die schönen Wege entlang der Bergkette haben uns viel Zeit und Kraft gekostet, wir sind seit ca. 7h unterwegs und haben noch gute 13km vor uns. Ein kurzes Kopfrechnen kommt schnell auf die Erkenntnis, daß wir heute nicht mehr im Hellen ankommen werden.


Alles, was der Himmel noch an Regen & Co. bereit hält, wird den Rest des Tages dankenswerterweise in den Bergtälern links und rechts von uns abgeladen. Für uns bleibt es trocken. Auf dem Weg die Straße runter kommen bei einem einsam gelegenen Haus zwei kleine und eher junge Hunde auf uns zugewetzt und hungern nach Freundlichkeiten.


Ein paar freundliche Worte genügen, daß uns die Beiden für die nächste Zeit hinterherlaufen. Das ist zwar irgendwie nett, aber spätestens nach ca. 2km fragen wir uns schon, wann die Beiden wieder umkehren, oder ob sie jetzt endgültig mitkommen wollen. Schweren Herzens versuchen wir, die Hunde zur Umkehr zu bewegen, alle Versuche mißlingen. Wir sind inzwischen eine halbe Stunde Weg von ihrem Zuhause entfernt, am nächsten Paß versuchen wir es (der Verzweiflung nahe) mit Drohungen und Einschüchterungen, ebenfalls vergebens. Erst kurz vor den nächsten Häusern (und den dort wohnenden Hunden) bleiben die beiden jungen Hunde endgültig stehen und kehren hoffentlich wohlbehalten wieder dorthin zurück, wo sie hingehören.


Während es dunkel wird, laufen wir durch die ersten Ausläufer von Priego de Cordoba, vorbei an der Dorfjugend, die im Auto sitzt, Musik hört und Joints raucht. Der Weg durch Priego ist plötzlich wieder wie ein anderer Planet, nach fast 11h Bergeinsamkeit plötzlich Fußgängerzonentrubel, über Mülleimern kotzende Kinder, Schlenderer und Kneipengänger. Freitagabend eben. Im Dunkeln ziehen wir durch die Altstadt und ahnen, wie schön dieser Ort ist. Unsere Unterkunft liegt in einer winzigen schmalen Gasse, der entspannte Wirt Juan begrüßt uns mit Handschlag und ist uns sofort sympathisch. Meine beiden Mitwanderer beschließen, nach der heutigen fetten Tour (11h...) morgen einen Pausentag einzulegen und dann morgen Abend oder übermorgen mit dem Bus wieder zu mir aufzuschließen.

Wir schleppen uns zum Abendessen, schleppen uns wieder zurück und fallen alle stolz in unsere Betten, die wir uns heute redlich verdient haben. An meinem Fußende bollert glücklich die Heizung und verspricht mir flüsternd, daß sie zuverlässig über Nacht alle meine nassen und klammen Klamotten trocknen wird.

Danke, kleine Heizung!

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