Freitag, 09.03.2018
12. Wandertag
Rute nach Priego de Cordoba
11h / 32km
1.119m hoch / 1.064m runter
In der Nacht wieder Regen. Wie oft habe
ich diesen Satz eigentlich schon geschrieben? Der Morgen ist aber freundlicherweise trocken und
nebelig, die Sonne drückt sich langsam durch den Dunst, der
aussieht, als wären wir irgendwo oben auf 3.500 Metern in den Wolken.
Das Frühstück wird von einem
etwas mißlaunigen Herren zubereitet, der in diesem etwas leer wirkenden Hotel
in krassem Kontrast zu den freundlichen Leuten von gestern steht. Er
serviert uns die Tostadas, macht den Kindern noch schnell was zurecht
– ab in die Schule.
Die Kleinstadt in schon
in heller Aufruhr. Alles bummelt, alles kauft ein, alles in Bewegung.
Wir treffen die örtliche Seniorenwandergruppe, hören dem quäkenden
Lautsprecher eines Kastenwagens zu, der klingelnd und krächzend
irgendwas verkündet, ziehen durch die engen Gassen und sind – ganz
plötzlich, als hätte es all den Trubel nicht gegeben, plötzlich am
Stadtrand. Dahinter Wiese, Wald, die ersten Ziegen auf der Weide.
Die ersten Stunden laufen wir entlang
der Nordflanke der Sierra Alta de Rute entlang, ein Höhenzug mit Gipfeln,
die später fast schon alpin aussehen werden. Nach dem kühlen
Aufstieg im Schatten werden wir mit Sonne auf den Gesichtern belohnt
und vor allem mit einem superbequemen kleinen Pfad mit Aussicht.
Wir finden Glockenblumen, probieren
wilden Fenchel; Thymian & Co. wachsen sowieso schon seit Tagen
immer wieder am Wegesrand. Die Mittagspause zögern wir hinaus, bis
ich nicht mehr kann und laut wehklagend mein Altersrecht auf Rast
einfordere. Weil wir schon den ganzen Tag quer zum Hang laufen und es
irgendwie gerade nix Waagerechtes zum Sitzen gibt, fläzen wir uns
zwischen zwei Olivenbäume, werfen Stiefel und Socken ab und machen
ordentlich Mittag. Der Einkauf vorhin in Rute hat sich gelohnt, es
wird ein Festmahl.
Aus dem bequem angelegten Weg vom
Anfang des Tages ist inzwischen ein sich windender steiler Pfad geworden,
der zwar alle Gelüste nach abenteuerlicher Wegführung erfüllt,
aber zusehend anstrengender wird. Fenja und Ivan gefällt's, aber ich
habe echt zu kämpfen. Ich nenne dieses Stück mal sachlich „schön,
aber unbarmherzig“. Gleichzeitig ist inzwischen unübersehbar das
Wetter von hinten herangezogen, es sieht wieder nach Regen aus.
Nach Stunden landen wir wieder auf
einem alten Fahrweg, kurz darauf Ruinen eines größeren
Bergbauernhofs. Ich fülle meine Trinkflaschen am Brunnen wieder auf,
währenddessen stürzt 20m weiter ein Teil der Wand von irgendeinem
verlassenen Gebäude ein. Spooky.
Der Regen findet uns und wird uns die
nächsten Stunden weiter begleiten. Kräftiger Wind von hinten gibt
dem Ganzen zusammen mit den knorrigen Bäumen, dem kratzigen
Unterholz und den verfallenen Gehöften, an denen wir in der nächsten
Stunde vorbeikommen, ein seltsam entrücktes Gefühl. Als wären wir
irgendwo ganz weit weg.
Spätestens der verhaßte Abstieg durch
den Matsch und Morast der Olivenhaine holt uns wieder in die
Realität zurück. Der letzte Bach kurz vor der Straße ist durch den
Regen wieder gehörig angeschwollen, aber diesmal schaffen wir die
Überquerung dank Sprungtechnik, ohne Stiefel und Socken
ausziehen zu müssen.
Der Rest des Tages droht in Form einer
langweiligen und kräftezehrenden Straßenetappe. Die schönen Wege
entlang der Bergkette haben uns viel Zeit und Kraft gekostet, wir
sind seit ca. 7h unterwegs und haben noch gute 13km vor uns. Ein
kurzes Kopfrechnen kommt schnell auf die Erkenntnis, daß wir heute
nicht mehr im Hellen ankommen werden.
Alles, was der Himmel noch an Regen &
Co. bereit hält, wird den Rest des Tages dankenswerterweise in den
Bergtälern links und rechts von uns abgeladen. Für uns bleibt es
trocken. Auf dem Weg die Straße runter kommen bei
einem einsam gelegenen Haus zwei kleine und eher junge Hunde auf uns
zugewetzt und hungern nach Freundlichkeiten.
Ein paar freundliche Worte genügen, daß uns die Beiden für die nächste Zeit
hinterherlaufen. Das ist zwar irgendwie nett, aber spätestens nach
ca. 2km fragen wir uns schon, wann die Beiden wieder umkehren, oder
ob sie jetzt endgültig mitkommen wollen. Schweren Herzens
versuchen wir, die Hunde zur Umkehr zu bewegen, alle Versuche
mißlingen. Wir sind inzwischen eine halbe Stunde Weg von ihrem
Zuhause entfernt, am nächsten Paß versuchen wir es (der
Verzweiflung nahe) mit Drohungen und Einschüchterungen, ebenfalls
vergebens. Erst kurz vor den nächsten Häusern (und den dort
wohnenden Hunden) bleiben die beiden jungen Hunde endgültig stehen und kehren
hoffentlich wohlbehalten wieder dorthin zurück, wo sie hingehören.
Während es dunkel wird, laufen wir
durch die ersten Ausläufer von Priego de Cordoba, vorbei an der
Dorfjugend, die im Auto sitzt, Musik hört und Joints raucht. Der Weg durch
Priego ist plötzlich wieder wie ein anderer Planet, nach fast 11h
Bergeinsamkeit plötzlich Fußgängerzonentrubel, über Mülleimern
kotzende Kinder, Schlenderer und Kneipengänger. Freitagabend eben.
Im Dunkeln ziehen wir durch die Altstadt und ahnen, wie schön dieser
Ort ist. Unsere Unterkunft liegt in einer winzigen schmalen Gasse,
der entspannte Wirt Juan begrüßt uns mit Handschlag und ist uns
sofort sympathisch. Meine beiden Mitwanderer beschließen, nach der
heutigen fetten Tour (11h...) morgen einen Pausentag einzulegen und
dann morgen Abend oder übermorgen mit dem Bus wieder zu mir
aufzuschließen.
Wir schleppen uns zum Abendessen,
schleppen uns wieder zurück und fallen alle stolz in unsere Betten,
die wir uns heute redlich verdient haben. An meinem Fußende bollert
glücklich die Heizung und verspricht mir flüsternd, daß sie
zuverlässig über Nacht alle meine nassen und klammen Klamotten
trocknen wird.
Danke, kleine Heizung!
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