Mittwoch, 28. Februar 2018

Wetterwechsel. Und Luftholen für morgen...

Samstag, 24.02.2018
2. Wandertag
Castillo de Castellar nach Jimena de la Frontera
5h / 21km
219m hoch / 345m runter

Sagte ich gestern Abend was von Sonnenaufgang? Über Nacht hat sich der Himmel mit Wolken zugezogen, also ist davon nix zu sehen - zumindest nix, was man als Foto festhalten müsste. Vor dem Frühstück schaue ich den Adlern zu, die über der Burg kreisen, während die Spatzen unten im Burghof Panik bekommen.

Nachdem ich das Frühstück mit Olivenöl und pürierten Tomaten auf Weißbrot genossen habe, zahle ich meine Rechnung und zuckele raus auf die Straße. Stolz mache ich nochmal ein Foto von der Burg und meinem Zimmer (die vier Fenster nebeneinander oben links), auch wenn ich nix weiter geleistet habe, als das Zimmer zu bezahlen.


Der leeren Straße folge ich langsam bergab und genieße die Aussicht, solange ich es noch kann. Am Horizont sehe ich immer noch Gibraltar als kleine Erinnerung daran, wo ich gestartet bin.

Der Tag verspricht nach Karte relativ ereignislos zu werden: 1x absteigen ins Tal, 1x ewig an der Bahnlinie entlang, 1x aufsteigen nach Jimena d.l.F. 

Bald ist die Straße zu Ende, statt dessen geht es über sanfte Schotterwege vorbei an Korkeichen und tiefgrünem Wald runter ins Tal. Später wird aus den Schotterwegen ein von Steinen übersähtes, schmales, ausgewaschenes Bachbett, was aber nur den Wildnis- & Romantikfaktor erhöht. Die ersten Viehweiden sind zu sehen (und zu hören) und unvermittelt stehe ich auf einer weiten Ebene aus gepflügtem und bewässertem Land.




Auf der Karte (pardon: dem GPS-Gerät) ist der Weg für heute in einer mit unbegreiflich umständlichen Kurve markiert, die mich erst 1km nach Süden schickt, dann die Bahnlinie überqueren lässt, um mich dann - in Sichtweite des Weges von eben - wieder 1km nach Norden zu schicken. Das mache ich schonmal aus Prinzip nicht und schlage mich an den Feldrändern durch, bis ich mir meine erste (bzw. auch gleich die zweite) Zaunüberkletterung abholen darf. Obwohl es aus der Ferne nicht so aussah, haben die Bauern natürlich doch einen Zaun gebaut, um sich gegen die Bahnlinie abzugrenzen. Gott sei Dank macht niemand ein Foto davon, wie ich erst meinen Rucksack und dann mich über die Zäune eiere. Ballett geht anders. Zur Belohnung knacke ich mir erstmal eine Dose Cola und merke im Sitzen schnell, welch großen Unterschied die fehlende Sonne macht. Gestern war es noch angenehm, im Wind zu sitzen, heute fühlt es sich deutlich kälter und unangenehmer an.

Weiter an der Bahnlinie entlang treffe ich eine Stunde später 4 spanische Wanderer, die sich dieselbe Tour wie ich heute vorgenommen haben - nur andersherum. Die Verständigung auf Spanisch hakt stark, aber ich habe Glück und eine der Damen spricht Französisch. Wir plaudern ein bißchen, ich lausche ihren spanischen Übersetzungen an ihre Freunde und am Ende verabschieden wir uns alle ein Stück fröhlicher. Sie, weil sie sich darüber freuen, daß jemand so viel Detail-Zeit in Spanien verbringt. Ich, weil ich es für ein gutes Zeichen halte, schon am zweiten Tag auf Wanderer zu treffen, die nicht nur mit dem Hund rausgehen (in Polen habe ich da lange drauf gewartet).

Der Tag bleibt recht unspektakulär, es geht zwischen Feldern und Weiden immer hart neben der Bahnlinie entlang nach Norden. Rechts dröhnt die Landstraße, irgendwo bellt immer ein Hund. Der Boden muß in den letzten Wochen sehr matschig gewesen sein, an vielen Stellen haben die Traktoren tiefe Spuren in den Weg gefahren, der jetzt wieder knochentrocken und rissig ist. Ich habe Durst und Hunger, aber gleichzeitig irgendwie keine Lust, mich irgendwo an den Wegesrand zu setzen und zögere die Mittagspause sinnloserweise konsequent bis zu dem Moment heraus, in dem mir der Weg was zum Sitzen anbietet: Den Betonsockel von irgendeinem Bahn-Signalmast. Ich verspeise das beim Frühstück geklaute Teilchen und gurgele einen Liter Wasser runter. Immer noch ein ungemütlicher Tag, aber eigentlich -- auch ziemlich angenehm. Nicht zu warm, immer ein bißchen Wind, flach.


Kurz vor Jimena erwischen mich die ersten Regentropfen, aber das ist nichts Ernstes. Ich laufe mit Panoramasicht auf das Dorf zu, das sich an einen Hang kuschelt, gekrönt von einer Burgruine. Irgendwo mittendrin ist meine Unterkunft für heute Abend. Ich mache einen kleinen Abstecher zum Dorfsupermarkt (der netterweise durchgehend geöffnet hat) und kaufe wie immer viel zu viel ein. Diese Idiotie werde ich mir wohl nie abgewöhnen.
Morgen erwartet mich ein fetter Tag, ich habe ihn gestern einen Angst-Tag genannt. Heute schwanke ich zwischen "Angst-Tag" und "wird schon werden". Entweder ziehe ich die fette Etappe von 9-11h durch - dann brauche ich genug Proviant, um mich mit ordentlichen Picknicks in Bewegung zu halten. Oder ich habe irgendwann genug und baue einfach das Zelt auf, wenn ich nicht mehr weiter will. Dann freue ich mich sicher über was zu Essen im Rucksack. So war der innere Monolog beim Füllen des Einkaufskorbs. Als ich mit zwei Plastiktüten den DIA wieder verlasse, könnte ich mir in den Arsch beißen -- der Rucksack ist sowieso schon zu schwer. Wie soll ich damit mit den zusätzlichen Kilos morgen nochmal flotte 1.200m Aufstieg wuppen?

All diese Fragen kann ich mir morgen auch noch stellen. Morgen heißt es sowieso: Früh aufstehen, Frühstück sausen lassen, damit ich mindestens eine Stunde vor Sonnenaufgang auf der Straße bin. Das wird hart genug. Für heute Abend freue ich mich erstmal über ein schönes Zimmer mit Aussicht, eine Badewanne, ein warmes Abendessen.

Dienstag, 27. Februar 2018

Der erste Tag...

Freitag, 23.02.2018
1. Wandertag
La Línea de la Concepción nach Castillo de Castellar (kürzer ging nicht...)
8,5h / 30km
584m hoch / 352m runter

Boah, hab ich Muffensausen. Ich wache um 04:30 Uhr auf und kann nicht mehr einschlafen, obwohl die Stadt endlich zur Ruhe gekommen ist. Heute geht’s los. Die gute Tour von gestern beruhigt mich zwar ein bißchen, aber die Aussicht darauf, heute zum ersten Mal mit dem vollen Rucksack aus dem Stand gleich 30km zu laufen, erfüllt mich durchaus mit Respekt. Wer hat sich diese Tour eigentlich ausgedacht?

Aus logistischen Gründen pfeife ich auf das Frühstück und packe lieber voller Inbrunst meinen Rucksack. Zusammen mit den Wasserflaschen und dem Picknick für heute Mittag sind es locker über 20kg. Natürlich habe ich zu viel Zeug mitgenommen. Ich nehme immer zuviel Zeug mit. (Um es vorweg zu nehmen: Ich habe heute den ganzen Tag im Geiste an der Liste gearbeitet, was demnächst in die Post nach Hause kommt...)

Kurz nach Sonnenaufgang bin ich auf der Straße. Der Berufsverkehr Richtung Gibraltar ist schon voll im Gange, aber ich drehe mich nach Norden und laufe an der Standpromenade entlang. Noch ist es frisch, so um die 10°, aber das wird sich ändern. Mir kommen Menschen in Winterjacken, Schal und Handschuhen entgegen, während ich hier mit kurzer Hose rumzuckele.

Schnell raus hier. Nach einer guten Stunde neben der brausenden Hauptverkehrsstraße darf ich endlich abbiegen und es wird stiller. Statt dessen halte ich jetzt auf den absurden Ring aus Industrie zu, der die Stadt für mehrere Kilometer fest umschließt. Raffinerien. Logistikzentren. Betonwerke. Kraftwerke. Kalkwerke. Mehr Raffinerien. Chemiefabriken. Links sehe ich immer noch Strand, Meer und Gibraltar. Mit Tankern.

In der Luft hängt ein ekeliger Geruch von Erdgas, Schiffsabgasen und Chemieprodukten. 





Man könnte sich fragen: Wieso postet der Mann sowas? Industrieanlagen interessieren doch nun wirklich niemanden. Aber der Vormittag mitten durch das Produktionsherz der Region, verbunden durch Röhren, Transportbänder und endlose LKW-Kolonnen, immerzu dröhnend, brausend, klopfend, brachte mir einiger der seltsamsten Stunden Wandern, die ich bisher erlebt habe. Vergewaltigte Landschaft; schmutzige Luft, deren Geruch alleine schon anzeigte, daß das hier nicht gesund sein kann; nervenzerreibender Krach aus allen Richtungen, den die eigentlich schön am Meer wohnenden Einheimischen vielleicht gar nicht mehr wahrnehmen. Erschreckend, schön und aufregend zu gleich.

Als ich San Roque erreiche, ist es geschafft. Statt Industrie schieben sich jetzt die Bauernhöfe in die Landschaft. Ich laufe zwar immer noch auf der Straße, aber ein paar Kilometer später darf ich mich auf den Naturpark „Pinar el Rey“ freuen. Picknickplätze, Pinien, Schatten, Wald. Ich esse meinen Rucksack leer, telefoniere mit Zange und fröstele glücklich unter den Bäumen, bis es Zeit ist, weiterzugehen.

Der nächste Teil der Wanderung ist von mir eindeutig „über-geplant“ worden. Eigentlich gibt es keinen richtigen Weg runter ins nächste Tal, aber ich muß da irgendwie hin. Also hatte ich mir auf Google-Maps-Theorie irgendwas zusammengebastelt, daß jetzt auch in der Realität stimmen muß, sonst gibt’s kilometerweite Umwege. Bitte nicht heute.

Da, wo ich im Geiste statt freier Fahrt einen Zaun vermutet habe, steht auch einer und versperrt mir den Weg. Mit Stacheldraht obendrauf. Grrrr... Ich laufe im tiefen Sand ein Stück auf und ab, habe Glück – und finde ein Tor. Runter zum Kanal, mitten durch die erste Kuhherde, die nächsten 1-2h versprechen entspanntes Wandern ohne Höhenunterschied am Kanal, mit schattigen Bäumen nebendran. Eine halbe Stunde später komme ich um die Ecke und mein Hasenfuß-Herz zieht sich zusammnen: Ein paar Arbeiter von der örtlichen Wasserversorgung sind am Kanal zugange. Eigentlich dürfte ich hier gar nicht sein, so zumindest das Gefühl, daß ich bei der Recherche gewonnen hatte. Überall Verbotsschilder und so. Interessiert aber keine Sau. Wir grüßen alle freundlich und ziehen unserer Wege.
Inzwischen ist es warm geworden, vielleicht so 17°, in der Sonne fühlt es sich aber nach deutlich mehr an. Ich hätte Lust auf eine Erfrischung, also sogar SCHWER Lust auf eine Erfrischung. Die erste Bar unten an der Straße lasse ich links liegen, weil da gerade Nachmittags-Hochbetrieb ist, das kriege ich jetzt rein sozial nicht gebacken. Aber eine Stunde weiter, schon in Aufstieg nach Castliio de Castellar trifft der Weg nochmal kurz die Straße und die nächste strategisch gut platzierte Bar. Gerade sind schon 4 Deutsche angekommen, die ich aus Boshaftigkeit nicht über meine Nationalität aufkläre (so kann ich mir ihre Mutmaßungen anhören, was ich mit dem Riesenrucksack so vorhabe; das Wort „Jakobsweg“ fiel auch schon...). Immerhin gelingt meine erste Bestellung von einem Bier und einer Cola auf Spanisch recht gut. Also sitze ich noch eine halbe Stunde auf der Terrasse und sammle Kraft für den letzten Aufstieg.

Und der hat es in sich. Gar nicht von den Zahlen her (sind nur 200 Höhenmeter), aber nach den bisher 7,5h Weg braucht der Aufstieg meine letzten Kräfte. Ein toller uralter Pfad, mit rohen Steinen gepflastert, schraubt sich am Hang hoch in Richtung Castillo de Castellar Kehre um Kehre werde ich mit immer schöneren Aussichten belohnt, bis zurück zum Felsen von Gibraltar. Kurz bevor ich die Straße erreiche, muß ich den Rucksack doch nochmal hinwerfen, das restliche Wasser austrinken und durchatmen. Ich bin halt nicht so gut am Berg... Das muß sich allerdings dringend ändern, wenn die nächsten 3 Monate Spaß machen sollen.

Oben in Castillo de Castellar kommt der Tourismus wieder, ich umrunde die alte Burg, auf der ich heute Abend übernachten werde. Mein Zimmer ist – mit einem Wort gesagt – großartig. Aussicht, Panorama, Fernblick nach Norden, Osten und Süden. Außerdem habe ich noch nie ein Hotelzimmer mit sage und schreibe neun Fenstern gehabt. Das Bad hat eine Badewanne, in die ich mich wohlig sinken lasse und plötzlich ist alles super. 

 




Ich fühle mich einigermaßen fit, nichts tut übermäßig weh, nur an den Fersen habe ich zwei wunde Stellen, die ich mir am Vormittag mit den doofen Wandersocken gelaufen hatte. Insgesamt für den ersten Tag eigentlich vollkommen ok.

Als es dunkel wird, laufe ich durch die wenigen verwunschenen Gassen der Wohnhäuser, die sich innerhalb der Burgmauern drängeln. Das einzige Restaurante macht um 20:00 Uhr auf, ich drängele mich ganz deutsch schon ein paar Minuten früher rein. Viel Fleisch, viel Knoblauch, so könnte man den leckeren Abend zusammenfassen. Heute Abend werde ich vor dem Schlafengehen alle 18 Fensterläden meiner Zimmerfester aufmachen, ich freue mich schon auf den Sonnenaufgang.

Morgen ein "kleiner" Tag mit 6h, übermorgen dann mein Angst-Tag: 9-11h durch die Berge, ohne echte Ausstiegsmöglichkeit, mit 1.200m Aufstieg. Vielleicht kommt dann doch spontan das Zelt zum Einsatz, wenn ich mich so gar nicht weiterschleppen mag...


(P.S.: Und wer JETZT nach unten scrollt, kann sich bei Interesse noch ein paar Fotos von Gibraltar im strahlenden Sonnenschein anschauen.)

Montag, 26. Februar 2018

Gibraltar. Schräges Ding...

Prolog.

Letzte Nacht kaum geschlafen, der Wecker klingelte um 04:00 Uhr. Wachwerden, ein letztes Mal zuhause Duschen, die letzten Dinge hin- und herräumen, bevor um 05:30 Uhr das Taxi zum Flughafen kommt. Auch in Tegel: Ruhelosigkeit. Rucksack einchecken, Sicherheitskontrolle, Reisefieber. Hab ich alles?

Umsteigen in London-Heathrow. Im Landeanflug krönt die Sonne den Schatten des Flugzeuges mit einer Glorie -- ich werte das einfach mal als gutes Zeichen. Ungefähr gleichzeitig fällt mir ein, daß jetzt mein Urlaub beginnt. Eine Tatsache, die mir in den letzten Wochen irgendwie durchgerutscht ist.

Bei der Ankunft treffe ich meine Tante, wir sitzen ein paar Stunden beim Tee im Terminal und quatschen. Wir hatten uns schon wieder seit Jahren nicht gesehen, was für eine überaus schöne Art, die Stunden bis zum Weiterflug nach Gibraltar zu überbrücken.

Über Spanien liegt eine geschlossene Wolkendecke, dabei wäre ich neugierig gewesen, wie das Land von oben so aussieht. Erst kurz vor der Küste klart es auf und ich kann ein paar Blicke auf die Berglandschaft werfen, durch die ich die nächsten Wochen unterwegs sein werde. 

Der Landeanflug auf Gibraltar ist spektakulär, links sehe ich im Dunst schon Afrika, rechts liegt der Felsen wie eine Insel im Meer. Ich habe noch nie eine Landung so nah neben einem Berg erlebt, der Airbus bremst super-heftig, um am Ende der Landbahn nicht ins Meer zu kippen. Die einzige Straße, die von Spanien nach Gibraltar führt, wird durch den Flughafen abgeschnitten und immer dann gesperrt, wenn ein Flugzeug landet oder startet. Lange Reihen an Autos, Motorrollern und Fußgängern stauen sich.


Über die Grenze auf die spanische Seite in meinen Hotelkasten und erstmal Mittagsschlaf nachholen. Von draußen höre ich das Dröhnen des Verkehrs unten auf der Straße und das Geschrei der Möwen.


Am nächsten Morgen: Wieder Prachtwetter. Also rauf auf den komischen Felsen. Ich packe mir einen kleinen Rucksack, überquere die Grenze und suche mir durch die "City" einen Weg hoch zu den Rampen und Wegen, mit denen die Militärarchitektur den Felsen wie ein Netz eingesponnen hat. Unten: Touristenfalle. Oben: erstaunlich ruhig, ich treffe auf dem Weg nach oben nur ein paar Jogger. An der "Nature Reserve"-Schranke löhne ich 50 Pence für "walking" und freue mich diebisch, daß ich so günstig wegkomme. Auf die ganzen Besichtigungen von Höhle hier, Fort da, Küstenbatterien dort habe ich heute sowieso keine Lust. Ich will: Landschaft!

Beim Aufstieg sichere ich mir das klassische Foto vom Flughafen inkl. gerade landender Easyjet-Maschine. Dahinter die spanische Grenzstadt La Linea de la Concepción und noch weiter geradeaus kann ich mir schon grob meine Route für morgen ausmalen. Aber vorher gibt es noch Einiges abzuhaken.

Insbesondere Aussicht.





Je länger ich auf diesem Felsen rumkraxele, umso mehr gewinne ich den Eindruck, fast alleine hier unterwegs zu sein. Die klassische Touristen-Besichtigungstour geht im Minibus den Hang hoch, einmal bei den Affen gehalten, zur Seilbahnstation und wieder runter. Geht auch mit dem Taxi.


Mir sind die Viecher etwas unheimlich, vor allem als auf einer ellenlangen Treppe (die einzige Möglichkeit, nach oben auf Grat zu kommen) so ein Vieh direkt vor mir sitzt und keine Anstalten macht, sich zu bewegen. Die Treppe ist vielleicht 50cm breit, also geht es im Zweifel nicht ohne "Körperkontakt". Allen Hasenmut zusammengenommen laufe ich einfach langsam an dem Affen vorbei und merke hinterher, daß denen offensichtlich alles wurscht ist. Solange oben aus den Minibussen Brot rausgeworfen wird, braucht sich kein Wanderer Sorgen machen.


Ich steige über die Mediterranean Steps steil an der Bergflanke entlang ab zur Südspitze, genieße die Sonne und die Aussicht. Afrika liegt gleich nebenan im Dunst.




Zurück im Hotel pflege ich meinen milden Sonnenbrand und freue mich auf morgen. Wird Zeit, daß ich endlich auf die Straße komme.

Dienstag, 13. Februar 2018

Bevor es losgeht...

Irgendwie kam das jetzt alles etwas unerwartet...

2017 war ich noch voll im Arbeitsmodus und nachdem ich im Dezember alle Projekte im Wesentlichen hinter mir gelassen hatte, kam plötzlich der Gedanke: "Und nu?"

Die Vorstellung, sich 2018 gleich wieder voll in die nächste Produktion, das nächste Projekt und die nächste Aufgabe zu werfen, war so unvergleichlich unvorstellbar, daß ich sehr schnell, sehr konsequent und doch irgendwie auch sehr planlos entschieden habe, das erste Halbjahr 2018 wieder auf Tour zu gehen.

Das Ziel war nach einem Blick auf die Europa-Karte schnell gefunden: Spanien. Fehlt mir sowieso noch auf meinem großen Ziel "Gibraltar - Nordkap", macht um diese Jahreszeit irgendwie auch Sinn und ist überhaupt schon lange fällig. 

Die erste große Entscheidung ("Wann gehe ich los?") wurde mir charmanterweise von Freunden abgenommen, die mich ab der 2. Wanderwoche für einige Zeit begleiten wollen. Während ich noch mit dem Kalender haderte und die Monate drehte/wendete/durchpuzzelte wie einen Rubik's-Cube, kam eine SMS mit dem Wortlaut: "Zack, Flüge sind gebucht. Wie landen am 27.02. spät abends in Malaga :)"
Den restlichen Abend über habe ich darüber nachgedacht, ob ich das jetzt doof und übergriffig finden soll, weil ich mich dadurch quasi gezwungen fühlte, meine Wanderung paßgenau in einem nur noch sehr wenige Tage engen Fenster zu starten. Aber am nächsten Morgen war mir klar, daß diese Nachricht eigentlich eine willkommene Beendigung des Grübelns war. Ok, Entscheidung liegt auf dem Tisch, dann kann's ja losgehen.

Die zweite große Entscheidung war deutlich schwieriger. Die ersten Recherchen nach Wanderkarten für Spanien ergaben eher ernüchternde Ergebnisse: Bergeweise topographische Karten verfügbar, aber eigentlich nur in Spanien bestellbar, teuer, schwer, unpraktisch. Wenn ich nicht für 3 Monate Kartenmaterial im Wert von 5kg mit mir rumschleppen will, müsste ich wieder wie auf den letzten Touren die umständliche Kartenlogistik per Post aus Deutschland anleiern -- was bedeutet, daß mir jemand die vorher gekauften Wanderkarten zeitlich genau passend an eine recherchierte und vorinformierte Adresse in Spanien schickt, wo ich dann darauf bibbern muß, daß alles richtig und rechtzeitig ankommt. Bäh.
Statt dessen kam der alte Gedanke "Wie wäre es denn mit GPS?" wieder in mir hoch, ein Gedanke, den ich in meinen über 35 Jahren Wanderkarriere bisher immer erfolgreich vermieden hatte. Hatte. Meine üblichen Sorgen über leere Akkus, tote Displays, nicht lesbaren Speicherkarten, korrupten Daten undwasweißichnochalles habe ich erstmal beiseite geschoben, mir so ein neumodisches Ding gekauft -- und auf ein paar Testtouren in Brandenburg das Gefühl gewonnen, daß das schon irgendwie funktionieren könnte.
Ich bin mir sehr sicher, daß ich zu mindestens 23 Gelegenheiten während meiner Tour die gute alte Wanderkarte vermissen werde, aber da kann ich mich später immer noch drüber aufregen. Für jetzt freue ich mich unter anderem darüber, daß ich jeden Tag ca. 0,5 bis 1kg weniger im Rucksack rumschleppen werde.

Der Rest ging dann ganz schnell. Nach vielen Abenden "Internet leer saugen" habe ich mir eine Route zurechtgelegt, ich folge für die ersten Wochen dem Fernwanderweg GR-7/E4, der von der Südspitze Spaniens bis Andorra führt. Immer durch die Berge, immer 50-100km vom Meer entfernt. Irgendwo vor Barcelona biege ich links ab, folge dann für eine Woche einem Jakobsweg-Zubringer und schlage mich dann weiter quer durch die Landschaft grob über Saragossa und Pamplona bis ins Baskenland durch. Ich denke, daß ich bis etwa Mitte/Ende Mai unterwegs sein werde - grob gesagt also 3 Monate. Und am Ende möchte ich genau dort ankommen, wo ich 2012 meine Tour nach Berlin begonnen habe: In Irun an der spanisch/französischen Grenze.

Am 21. Februar geht mein Flug nach Gibraltar, nach ein paar Tagen Eingewöhnung und Loslaufen wird es ab 26. Februar wieder tägliche Berichte davon geben, was ich gesehen, erlebt und mir dabei so gedacht habe. Tendenziell wird es vielleicht weniger Text werden als in den vergangenen Jahren (dafür mehr Fotos), der Zeitaufwand von 2-3h jeden Abend war mir auf der letzten Reise einfach zu groß.

Aber Ihr könnt trotzdem sehr gerne wieder jeden Tag ein Stück mitkommen...