Freitag, 9. März 2018

Matsch, Schlamm, Wind und Regen. Und dramatisches Licht.

Montag, 05.03.2018
9. Wandertag
Valle de Abdalajís nach Antequera
7h / 23km
947m hoch / 845m runter

Regen in der Nacht, Regen am Morgen. Wir skippen das Frühstück in der Bar nebenan mit der Aussicht auf einen rauschhaften Picknickeinkauf im örtlichen Supermarkt. Auf dem Weg dorthin bummeln wir Richtung Marktplatz und müssen unterwegs leider mit ansehen, wie eine türkis gekleidete Nonne das Display ihres irdischen Mobiltelefons mit der Zunge säubert oder entsperrt (und ich will auch gar nicht weiter darüber nachdenken). Ivan entert die Apotheke, während Fenja und ich an einem Stand gegenüber Teilchen kaufen (gezuckerte Mini-Krapfen und fies schokogefüllte Croissantröllchendinger). Für einen Montagvormittag bei Regen ist auf diesem Platz außergewöhnlich viel los, es wird geplaudert und geguckt, regenbeschirmt herumgestanden und herzlich begrüßt.

Mit vollen Rucksäcken verlassen wir das Dorf, immer hart am schlammig-brodelnden Fluß entlang. Ich mache im Vorbeigehen noch Witze über die Furt im Fluß, den man bei diesem Wasserstand vielleicht besser nicht überqueren sollte... an diese Worte hätte ich mich später besser noch erinnert.

Die Höhenmeter, die wir gestern beim Abstieg runter ins Tal vernichtet haben, wollen erstmal alle samt und sonders wieder hochgestiegen werden. Die erste Stunde serviert der Himmel dazu saftigen Regen, danach Sonne und vor allem Wind.


Wir steigen zwischen den Feldern hoch in Richtung des markanten Felsens, der auf dem Bergkamm liegt, ein namenloses Ding namens Höhe 779. Hier oben ist erstaunlich viel Wasser im Boden, überall quillt und rinnt es hervor, aus allen Ecken und Ritzen. Besonders deutlich wird das, als wir unvermittelt vor einem Problem stehen. Der eigentliche Weg und die Brücke über einen Bach in einem tief eingeschnittenen Tal wurden wohl irgendwann mal weggespült, die Reste davon liegen noch in der Landschaft herum. Als Alternative gibt es eine Furt -- und die hat es in sich. Das schlammige Wasser macht es unmöglich, zu sehen, wie tief es eigentlich ist. Einige Testwürfe mit Steinen erwecken eher den Eindruck von Bodenlosigkeit. Also kriechen wir im lehmigen Schlamm hin und her, um eine gute Stelle zum Überqueren zu finden, am Ende siegt das gute alte "Stiefel ausziehen und durch". Die lehmige eiskalte Suppe geht mir bis zu den Knien...

Es beginnt mit allgemeiner Suche nach Optionen...
Mitte hinten: Fenja, suchend, kraxelnd.
Nach der Schlammschlacht: Füße waschen...
Geschafft. Nur eine halbe Stunde für 30 Meter Weg. Aber wir sind ein bißchen stolz auf unsere Abenteuereinlage. Wir kriegen natürlich sofort Lust auf Pause und peilen einen vermeintlichen Mirador kurz unterhalb des Felsens an. Sieht nach Aussicht und Sonne aus. Ist am Ende aber nur ein Solarpanel, das zu einem der Bauernhöfe gehört. Unter Hundebegleitung stehlen wir uns durch die beiden Bergbauernhöfe, die sich an die rechte Flanke des Felsens drücken und machen es uns bei erster alternativer Gelegenheit zum Mittagessen gemütlich. Brot, Chorizo, Salami, die Teilchen, Käse, Olivenöl, allerlei Getränke. Es könnte uns wirklich schlechter gehen. Die Sonne scheint ziemlich prall, der Wind hat aufgefrischt -- und weht mir gegen Ende der Pause plötzlich die Mütze vom Kopf, die im Wassergraben nebenan landet. Nahezu gleichzeitig weht er auch meine Käsepackung weg, die es bis auf den nächsten Steinhaufen schafft. Über den absurden Ausruf "Mein Hut! / Mein Käse!" muß ich dann leider den restlichen Nachmittag kichern.


Schon nach der nächsten Kurve ändert sich die Landschaft und uns eröffnet sich ein weites windzerzaustes Panorama nach Norden und Osten. Die nächsten Regenwolken rasen heran und erwischen uns genau in der halben Stunde, als wir versuchen, weglos zwischen den Felden einen Pfad zur Straße unten im Tal zu finden. Die frisch gepflügten Felder sind schwer und lehmig-schlammig-naß von den Niederschlägen der letzten Tage, mit jedem Schritt lagern sich gefühlt 100g Lehm zusätzlich an den Stiefel ab, so daß wir innerhalb kürzester Zeit mit riesigen schweren Klumpen an den Füßen talabwärts schlittern.

Zwischendrin findet sich an einem Stein eine vollkommen überflüssige rot-weiße Wegmarkierung. Weil da kein Weg ist...


Auf der anderen Seite des Tales sind die Hänge voller Olivenbäume, wir können entspannt auf breiten unmatschigen Feldwegen nebeneinander laufen. Zur letzten Pause des Tages verkriechen wir uns vor dem Wind hinter einem Stromhäuschen, ein Jeep mit Einheimischen schaut zunächst etwas mißtrauisch, aber ein Winken und ein Lächeln helfen da Wunder.


Kaum haben wir die letzte Steigung des Tages hinter uns gebracht und sehen Antequera schon in der Ferne, brausen von hinten nochmal Regenwolken heran. Dunkelgrau bis schwarz, könnten auch Gewitterwolken sein. Es gießt kurz und kräftig, damit wir die letzten 1,5h auch standesgemäß naß laufen können.


Langsam kommen wir eindeutig in den Einflußbereich von Antequera, immerhin eine 40.000-Einwohner-Stadt. Vorbei an einem gepflegten Golfplatz, von dem sich die umliegenden Immobilieninvestoren wohl etwas mehr versprochen haben -- die Baugrundstücke für die "Casas de Golf" sind allesamt nicht verkauft, die Zufahrtsstraßen verfallen und überwuchert. Hier an der Peripherie ist Antequera so häßlich, wie es wohl in jeder mittelgroßen Stadt Europas häßlich sein kann. Plattenbauten, Industrie, öde liegende Gewerbegebiete. 

Immerhin schaffe ich noch einen schnellen Schnappschuß vom Botschafter meines neuen "Bieres der Herzen": Cruzcampo. In jeder andalusischen Bar habe ich bisher dieses und kein anderes Bier serviert bekommen und das mit Recht.

Die letzten zwei Kilometer durch den Ort ziehen sich (und an unseren Nerven). Netterweise treffen wir unsere Apartmentvermieterin punktgenau an, starten eine ergebnisoptimierte Dusch-Choreographie und während Ivan und ich  noch den Großeinkauf im Mercadona nebenan absolvieren, wirft Fenja zwei Waschmaschinen an und betreut die wärmeproduzierenden Geräte in der Wohnung.

Vollkommen verdient schlemmen wir am Wohnzimmertisch Salat, Pasta und Getränke aller Art. Vor unserem Fenster lockt die beleuchtete maurische Festung Alcazaba über unseren Köpfen. Die wird morgen erstmal besichtigt werden wollen. Wir werfen uns nach einem schönen, windigen, anstrengenden, nassen, aufregenden und abwechslungsreichen Tag in die Betten. Beim Einschlafen denke ich noch: Für genau solche Tage geht man Wandern.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen