Sonntag, 29. April 2018

Stille Forstwege durch vollkommen einsame Bergtäler.

Mittwoch, 25.04.2018
23. Wandertag
Arroyo Frio nach Coto Ríos
9h / 35km 
836m hoch / 960m runter

Wenn gestern der Tag der landschaftlichen Höhepunkte war, konnte der heutige Wandertag durch das genaue Gegenteil punkten, und das meine ich nur positiv. Durch stille Tiefe, meditative Ruhe und großzügige Gemächlichkeit.

Ich starte früh in einen bedeckten Tag, weil ich noch nicht so ganz genau weiß, was mich erwartet. Gestern hatte ich den GR-7 verlassen, um in Arroyo Frio zu übernachten, daher bleibt mir heute nur die Wahl, mich irgendwie wieder zurück auf den GR-7 zu kämpfen oder den ganzen Tag unten im Tal auf der Straße zu laufen. Auf der Karte hatte ich einen kleinen Pfad entdeckt, der sich von Arroyo Frio unten im Talgrund quasi auf direktem Wege hoch in die Berge zieht, um dort oben, zwei Täler weiter, wieder auf den GR-7 zu treffen. Sieht erstmal gut aus. Aber die Entscheidung für diesen Weg ist eine kleine Wette: Wenn der Weg existiert und begehbar ist, ist er eine gute Abkürzung - und auch die einzige Möglichkeit. Wenn nicht, dann bleibt nur umkehren und den ganzen Tag Asphalt fressen. Was dann doppelt bitter wäre.

Entsprechend aufgeräumt steige ich den steinigen Forstweg zu dem Cortijo oberhalb von Arroyo Frio auf, von wo der Pfad abzweigen soll. Die Hunde des Gehöfts haben mich schon weit vorher gewittert und schlagen an, und als die Ziegen mich auch entdecken und in meine Richtung gucken, weiß auch der alte Bauer da drüben, wohin er schauen muß, um den Fremdkörper zu entdecken. Ich winke ihm unverbindlich vom Weg aus zu und schlage mich dann den Hang hinauf, tatsächlich einem steinigen Pfad folgend. Eigentlich gut zu erkennen (siehe oben), aber halt auch in der Art eines Holzweges, bei dem man nie so richtig weiß, ob er nach der nächsten Kurve vielleicht einfach endet.

Die nächste Stunde ist Aufstiegstraining pur, steil und wild und steinig führt der Weg um die 500 Höhenmeter aus dem Tal heraus bis hoch auf den ersten kleinen Paß. Ich preise mehrfach das GPS, ohne das ich diesen Pfad sicherlich nie gefunden bzw. in Angriff genommen hätte. Auf dem Sattel mache ich eine Pause im einladenden Gras des Talkessels, hole mein ausgelassenes Frühstück nach und bin schonmal glücklich und zufrieden, daß der schwerste Teil geschafft ist. Auf kleinen stillen Wegen, auf denen sicherlich seit Wochen niemand unterwegs war, schlängele ich mich durch bis zur Forststraße, wo ich wieder auf den GR-7 treffe.

Entgegen aller Gewohnheiten und zum ersten Mal auf dieser Reise habe ich mich beim Aufstieg dazu hinreißen lassen, die Wanderstöcke einzusetzen. Wie sehr habe ich mich jahrelang dagegen gewehrt, fand die Dinger wahlweise immer zu sperrig, zu peinlich, ständig im Weg, nicht dem Takt meiner Schritte ensprechend oder schlicht unnötig. Jetzt, bei diesem Aufstieg, hab ich's endlich kapiert: Die Dinger können was. Und sie helfen. Daß ich das auf meine alten Tage nochmal...

Oben auf dem Puerto del Calvario, dem höchsten Paß des Tages, mache ich natürlich eine verdiente Rast, lasse mir stolz den Wind um die Nase wehen und freue mich auf den Rest der Etappe. Der Karte nach ein entspanntes Abwärtsschlendern über Forststraßen, keine nennenswerten Aufstiege mehr, alles gemächlich, nix Steiles. Und genau so wird es auch kommen.

Ich laufe an der Casa Forestal de Roblehondo vorbei, ein unbewohntes Forsthaus mitten im einsamsten Teil dieser entlegenen Bergtäler. Schneeweiß leuchtet das Gebäude aus dem dunklen Grün der Bäume hervor, mit weiter Aussicht auf die umliegenden Täler. Für mindestens die nächsten 3h wird dieses Gebäude immer noch oben am Hang als winzig kleiner Punkt zu sehen sein, während ich auf Coto Ríos zuwandere.


Ich sehe den ganzen Tag über keinen einzigen Menschen, kein Auto, kein gar nichts. Nur Berge, Täler, Wald und Wasser. Außer dem Wind höre ich nur Geräusche, die ich beim Gehen selber verursache. Der Forstweg ist perfekt angelegt, ich bewundere diese Ingenieurskunst, die es fertiggebracht hat, einen Weg von vielleicht 15km Länge in großzügigen Schleifen mit nahezu gleichbleibendem Gefälle in die Berge zu zimmern. Die Stunden des Abstiegs nehmen daher schon fast meditative Züge an, während ich ganz alleine durch die Täler laufe.


Am sehr späten Nachmittag treffe ich auf das Tal des Rio Borosa, im Sommer und an den Wochenenden und vor allem an den Sommerwochenenden eindeutiges Tourismusgebiet. Weiter oben im Tal des Rio Borosa scheint sich der Weg zu einem schmalen Pfad direkt neben dem Wildbach zu verengen, so wie ich das von frühen Familienwanderungen in der Partnachklamm her erinnere. Aber ich habe bin schon 9h unterwegs, habe noch ein ordentliches Weg vor mir und verzichte deshab darauf, noch einen zusätzlichen Erkundungs-"Umweg" ins Borosa-Tal mitzunehmen. Das kann ich mir immer noch für morgen auf's Programm schreiben, denn ich habe schon wieder einen Pausentag eingeplant. Ich habe mir halt geschworen, es langsamer angehen zu lassen als beim letzten Mal...

Die halbe Stunde entlang des Rio Borosa bis runter ins Tal des Guadalquivir ist allerdings auch ganz ansehnlich. Das Tal serviert dutzende Quellen mit lecker Quellwasser, ein paar verirrte Abendspaziergänger, rauschende Wildbäche, eine Patrouille der Guardia Civil und die Sonne, die sich für den Abend langsam durch den bedeckten Himmel drängt. 

Die letzte Stunde Weg führt entlang des Guadalquivir durch seltsam entrückte Flußauen, kleine sumpfige Waldstücke, aufgegebene Olivenhaine, durch die kreuz und quer die Quellbäche fließen. Kurz vor Coto Ríos die übliche Ansammlung von kleinen Gärten, blühende Apfelbäume, saftige Wiesen, in den Gemüsegärten buddelnde Dorfbewohner. Coto Ríos ist ein etwas seltsames, auf dem Reißbrett angelegtes Dorf, aber das ist mir heute total schnuppe. Mein Apartment gefällt mir gut, direkt gegenüber ein kleines Restaurant, 30m weiter ein Mini-Supermarkt, ich habe also die volle Auswahl. Nach der Dusche merke ich, daß mir heute der Sinn nach selber kochen steht, statt im Restaurant spanische Namen von Gerichten zu erraten...

Eindeutig ein Good Boy, wenn auch ein viel zu seltenes Beispiel.

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