Mittwoch, 2. Mai 2018

Spaziergang mit viel Wind. Ziel: zunächst unklar.

Samstag, 28.04.2018
25. Wandertag
Pontones nach La Matea
4,5h / 18km 
512m hoch / 557m runter

Vor dem Frühstück schreibe ich mir noch schnell einen Spickzettel zusammen: Alle möglichen und unmöglichen Alternativen zum Übernachten für heute Abend inkl. Telefonnummern. In meinem eigentlichen Etappenziel für heute (Santiago de la Espada) habe ich noch eine Pension ausfindig gemacht, dazu noch ein Dorfhotel 6km weiter. Wenn beides nix wird, muß ich in den nächsten größeren Ort Puebla de Don Fadrique trampen, wo ich mir auch nicht sicher bin, daß alle Zimmervermieter wegen mir (am Samstag, für 1 Person, für 1 Nacht) freudig an der Straße stehen und winken.

Erstmal Frühstück, wieder Volltreffer. Freundliche Leute, ich erkenne den Ehemann meiner Vermieterin als den Mini-Supermarkt-Mann von gestern Abend wieder. Es gibt ein leckeres Frühstück in einem sonnendurchfluteten Frühstücksraum, zur Feier des Tages zwei große Tostada und handgesäbelten Schinken.

50% von Pontones...
Über Nacht ist es deutlich kälter geworden, trotz sonnigem Himmel. Ich ziehe rückwärts wieder durch Pontones hindurch und mache mich auf den Weg ins Ungewisse. Eine halbe Stunde nach meinem Aufbruch erreiche ich die Pension in Santiago: Auch ausgebucht. Damit ist klar, daß ich heute irgendwo anders hinwandern muß als geplant. Grmph. Aber mein nächster Versuch landet einen Treffer: In La Matea gibt es ein kleines Hotel, mit einem freien Zimmer für mich. Das macht die Tour heute zwar um ca. 1,5h länger, für morgen ist es eigentlich kaum ein Umweg. Da kann man nicht meckern...


Der Weg führt über Schafsweiden und Buschlandschaft und umrundet in gemächlichem Bogen einen Berg. Zu den kühlen Temperaturen kommt ein empfindlicher Wind und obwohl es auf den Bilder aussieht wie wärmster Sommer, ziehe ich mich etwas dicker an als sonst.

Der Weg gleicht heute eher einem Spaziergang: Einmal um den Berg herum, dann dem Tal bis auf den Sattel folgen, durch das nächste Tal wieder nach oben. Was sich dabei im Minutentakt ändert, ist die Landschaft. Eben noch Schafsland, mit viel Grün, kleinen Baumgruppen und matschigen Stellen, eine Stunde weiter offene Flächen, karge Hänge aus farbigem Gestein, feuchte Wälder, die von Quellen durchflossen werden, sanfte Felder, als wären wir in Bayern.


Der Weg taucht erst ganz scheinheilig in eine kleine Rinne im Gelände, die sich während der nächsten Kilometer immer tiefer eingräbt und schließlich zu einer Schlucht mit einem veritablen Wildbach wird. Was wildromantisch aussieht, ist stellenweise ein sehr anstrengendes Klettern über umgestürzte Bäume, Hüpfen über matschige Stellen oder den Bach selbst (direkt nach der Schneeschmelze möchte ich nicht hier durchgehen müssen). Aber es bleibt eine tolle Etappe und ein optischer Genuß, entrückt von der Welt da oben und da draußen. Links und rechts stoßen immer wieder kleine Quellen zum Bach, ein Trampelpfad führt etwas oberhalb des Talgrundes am Hang entlang -- ganz klar die klassische Kategorie "Räuberweg", den wir als Kinder beim Wandern immer von unserem Vater gefordert haben. Genau so hab ich mir als Kind immer einen Räuberweg vorgestellt.

Nach einer guten Stunde weitet sich das Abenteuer wieder und macht einem deutlich breiteren Tal Platz, das sich kurz nach einer alten Mühle plötzlich endgültig öffnet und den Blick auf die Ebene unterhalb von Santiago freigibt. Hier verlasse ich den GR-7 vorläufig, um zu meiner Unterkunft nach La Matea zu wandern.

Das letzte Stück Weg ist weder schick noch schön, es geht auf Asphalt durch landwirtschaftlich genutztes Gebiet, der Wind pfeift mir von vorne ins Gesicht, und ich hoffe, daß ich bald mal aus der Sonne rauskomme. Das Hotel Escobar liegt gleich hinter der Brücke am Ortseingang, ich hole meinen Zimmerschlüssel ab, lasse mir von der Wirtin minutenlang das "Türöffner-Transponder-Ballett-für-die-Eingangstür" zeigen (die ich nie benutzen werde) und beziehe ein winziges Zimmer, das ich mir mit zwei Marienbildchen teilen darf. Die übliche Stunde "Ankommen-Duschen-im-Bett-liegen" lasse ich mir glücklich den kühlen Wind um die Nase wehen, der durch das leicht geöffnete Fenster hereinkommt.

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