2. Wandertag
Castillo
de Castellar nach Jimena de la Frontera
5h / 21km
219m hoch / 345m runter
Sagte ich gestern Abend was von Sonnenaufgang? Über Nacht hat sich der Himmel mit Wolken zugezogen, also ist davon nix zu sehen - zumindest nix, was man als Foto festhalten müsste. Vor dem Frühstück schaue ich den Adlern zu, die über der Burg kreisen, während die Spatzen unten im Burghof Panik bekommen.
Nachdem ich das Frühstück mit Olivenöl und pürierten Tomaten auf Weißbrot genossen habe, zahle ich meine Rechnung und zuckele raus auf die Straße. Stolz mache ich nochmal ein Foto von der Burg und meinem Zimmer (die vier Fenster nebeneinander oben links), auch wenn ich nix weiter geleistet habe, als das Zimmer zu bezahlen.
Der leeren Straße folge ich langsam bergab und genieße die Aussicht, solange ich es noch kann. Am Horizont sehe ich immer noch Gibraltar als kleine Erinnerung daran, wo ich gestartet bin.
Der Tag verspricht nach Karte relativ ereignislos zu werden: 1x absteigen ins Tal, 1x ewig an der Bahnlinie entlang, 1x aufsteigen nach Jimena d.l.F.
Bald ist die Straße zu Ende, statt dessen geht es über sanfte Schotterwege vorbei an Korkeichen und tiefgrünem Wald runter ins Tal. Später wird aus den Schotterwegen ein von Steinen übersähtes, schmales, ausgewaschenes Bachbett, was aber nur den Wildnis- & Romantikfaktor erhöht. Die ersten Viehweiden sind zu sehen (und zu hören) und unvermittelt stehe ich auf einer weiten Ebene aus gepflügtem und bewässertem Land.
Auf der Karte (pardon: dem GPS-Gerät) ist der Weg für heute in einer mit unbegreiflich umständlichen Kurve markiert, die mich erst 1km nach Süden schickt, dann die Bahnlinie überqueren lässt, um mich dann - in Sichtweite des Weges von eben - wieder 1km nach Norden zu schicken. Das mache ich schonmal aus Prinzip nicht und schlage mich an den Feldrändern durch, bis ich mir meine erste (bzw. auch gleich die zweite) Zaunüberkletterung abholen darf. Obwohl es aus der Ferne nicht so aussah, haben die Bauern natürlich doch einen Zaun gebaut, um sich gegen die Bahnlinie abzugrenzen. Gott sei Dank macht niemand ein Foto davon, wie ich erst meinen Rucksack und dann mich über die Zäune eiere. Ballett geht anders. Zur Belohnung knacke ich mir erstmal eine Dose Cola und merke im Sitzen schnell, welch großen Unterschied die fehlende Sonne macht. Gestern war es noch angenehm, im Wind zu sitzen, heute fühlt es sich deutlich kälter und unangenehmer an.
Weiter an der Bahnlinie entlang treffe ich eine Stunde später 4 spanische Wanderer, die sich dieselbe Tour wie ich heute vorgenommen haben - nur andersherum. Die Verständigung auf Spanisch hakt stark, aber ich habe Glück und eine der Damen spricht Französisch. Wir plaudern ein bißchen, ich lausche ihren spanischen Übersetzungen an ihre Freunde und am Ende verabschieden wir uns alle ein Stück fröhlicher. Sie, weil sie sich darüber freuen, daß jemand so viel Detail-Zeit in Spanien verbringt. Ich, weil ich es für ein gutes Zeichen halte, schon am zweiten Tag auf Wanderer zu treffen, die nicht nur mit dem Hund rausgehen (in Polen habe ich da lange drauf gewartet).
Der Tag bleibt recht unspektakulär, es geht zwischen Feldern und Weiden immer hart neben der Bahnlinie entlang nach Norden. Rechts dröhnt die Landstraße, irgendwo bellt immer ein Hund. Der Boden muß in den letzten Wochen sehr matschig gewesen sein, an vielen Stellen haben die Traktoren tiefe Spuren in den Weg gefahren, der jetzt wieder knochentrocken und rissig ist. Ich habe Durst und Hunger, aber gleichzeitig irgendwie keine Lust, mich irgendwo an den Wegesrand zu setzen und zögere die Mittagspause sinnloserweise konsequent bis zu dem Moment heraus, in dem mir der Weg was zum Sitzen anbietet: Den Betonsockel von irgendeinem Bahn-Signalmast. Ich verspeise das beim Frühstück geklaute Teilchen und gurgele einen Liter Wasser runter. Immer noch ein ungemütlicher Tag, aber eigentlich -- auch ziemlich angenehm. Nicht zu warm, immer ein bißchen Wind, flach.
Kurz vor Jimena erwischen mich die ersten Regentropfen, aber das ist nichts Ernstes. Ich laufe mit Panoramasicht auf das Dorf zu, das sich an einen Hang kuschelt, gekrönt von einer Burgruine. Irgendwo mittendrin ist meine Unterkunft für heute Abend. Ich mache einen kleinen Abstecher zum Dorfsupermarkt (der netterweise durchgehend geöffnet hat) und kaufe wie immer viel zu viel ein. Diese Idiotie werde ich mir wohl nie abgewöhnen.
Morgen erwartet mich ein fetter Tag, ich habe ihn gestern einen Angst-Tag genannt. Heute schwanke ich zwischen "Angst-Tag" und "wird schon werden". Entweder ziehe ich die fette Etappe von 9-11h durch - dann brauche ich genug Proviant, um mich mit ordentlichen Picknicks in Bewegung zu halten. Oder ich habe irgendwann genug und baue einfach das Zelt auf, wenn ich nicht mehr weiter will. Dann freue ich mich sicher über was zu Essen im Rucksack. So war der innere Monolog beim Füllen des Einkaufskorbs. Als ich mit zwei Plastiktüten den DIA wieder verlasse, könnte ich mir in den Arsch beißen -- der Rucksack ist sowieso schon zu schwer. Wie soll ich damit mit den zusätzlichen Kilos morgen nochmal flotte 1.200m Aufstieg wuppen?
All diese Fragen kann ich mir morgen auch noch stellen. Morgen heißt es sowieso: Früh aufstehen, Frühstück sausen lassen, damit ich mindestens eine Stunde vor Sonnenaufgang auf der Straße bin. Das wird hart genug. Für heute Abend freue ich mich erstmal über ein schönes Zimmer mit Aussicht, eine Badewanne, ein warmes Abendessen.
All diese Fragen kann ich mir morgen auch noch stellen. Morgen heißt es sowieso: Früh aufstehen, Frühstück sausen lassen, damit ich mindestens eine Stunde vor Sonnenaufgang auf der Straße bin. Das wird hart genug. Für heute Abend freue ich mich erstmal über ein schönes Zimmer mit Aussicht, eine Badewanne, ein warmes Abendessen.
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